OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.06.2020 – 20 UF 14/20 (AG Pforzheim)
Elterliche Sorge bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften: keine gemeinsame Sorge bei gerichtlich prognostizierten erheblichen negativen Auswirkungen der fehlenden Kooperationsbereitschaft der Eltern auf das Kindeswohl
Bei der Entscheidung über die Übertragung der gemeinsamen Sorge auf beide Eltern gemäß § 1626a Abs. 2 BGB handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, bei der auch zu berücksichtigen ist, wenn es im Verhältnis der Eltern an einer Grundlage für das Zusammenwirken im Sinne des Kindeswohls fehlt.
Dabei sprechen das Vorliegen eines Elternkonflikts oder die Ablehnung der gemeinsamen Sorge durch einen Elternteil noch nicht per se gegen die gemeinsame elterliche Sorge, jedoch setzt die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus (vgl. BGH, Beschl. v. 15.06.2016 – XII ZB 419/15).
Zwar sei es im Einzelfall hinzunehmen, dass sich nach einer Zeit der Erprobung herausstellt, dass die gemeinsame elterliche Sorge nicht funktioniert und nachträglich wieder aufzuheben ist. (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 24.05.2016 – 3 UF 139/15) Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die vom Gericht nach § 1626a Abs. 2 BGB zu erstellende Prognose ergibt, dass die gemeinsame elterliche Sorge nicht funktionieren wird, weil tatsächlich trotz professioneller Unterstützung durch Jugendamt und Verfahrensbeistände keinerlei Konsensmöglichkeit und Kooperationsbereitschaft zwischen den Eltern besteht und sich bereits diese Phase des Erprobens der gemeinsamen Sorge erheblich belastend auf das Kind auswirken würde.