OLG Dresden, Beschl. v. 14.04.2022 – 21 UF 304/21
Das Familiengericht kann das Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils gemäß § 1696 Abs. 1 BGB bestimmen, wenn es dem ausdrücklichem Kindeswillen entspricht und keine negativen Auswirkungen auf das Kind zu befürchten sind. Dies hat das Oberlandesgericht in Dresden jüngst entschieden und sich der Ansicht des Bundesgerichtshofs angeschlossen, dass das paritätische Wechselmodell unter Berücksichtigung des Kindeswohls auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann (vgl. BGH, FamRZ 2020, 255, 257; FamRZ 2017, 532, 535). Dabei wird von einem paritätischen Wechselmodell gesprochen, wenn das Kind zu gleichen Zeitanteilen in beiden Haushalten der Elternteile lebt.
Grundlage des Ausgangsgerichts für die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells war, dass dieses bereits seit geraumer Zeit zwischen den Elternteilen praktiziert wurde. Zudem sprach sich das Kind ausdrücklich für eine Fortführung der Wechselmodells aus. Gegen die Entscheidung des Ausgangsgerichts wendete sich die Kindesmutter mit ihrer Beschwerde. Sie gehe davon aus, dass die Anordnung des Wechselmodells nicht auf den Kindeswillen gestützt werden könne, da dieser durch den Kindesvater manipuliert und beeinflusst sei. Im Übrigen lägen auch die die übrigen Voraussetzungen für ein Wechselmodell, nämlich eine hinreichende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern, nicht vor. Das Oberlandesgericht Dresden wies die Beschwerde der Kindesmutter zurück. Der Wille des Kindes wurde dabei auch vom Beschwerdegericht als nicht von einem Elternteil manipuliert gedeutet, sondern als wirklichen Willen, der auf der Bindung zu beiden Elternteilen beruht.
Der zwischen den Eltern herrschende massive Konflikt und die fehlende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit war für die gerichtliche Entscheidung zweitrangig von Bedeutung. Soweit das Wechselmodell die Belastung des Kindes durch den Elternkonflikt nicht verstärkt oder diese sogar vermindert, entspricht das Wechselmodell auch dem Kindeswohl.
Die Entscheidung, welches Umgangs- und Betreuungsmodell dem Kindeswohl am besten entspricht, bleibt dennoch immer einer Überprüfung des Einzelfalls vorbehalten.